Sistierung oder Teilurteil? Die juristischen Hürden im Schweizer Scheidungsverfahren

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Viele Paare in der Schweiz wünschen sich in einer emotional belastenden Situation nichts sehnlicher, als die Ehe schnell hinter sich zu lassen. Besonders wenn der Scheidungsgrund unbestritten ist (z. B. nach zwei Jahren gerichtlicher Trennung), erscheint die lange Wartezeit auf die Regelung aller Nebenfolgen wie Kindesbelange oder Ehegattenunterhalt unnötig. Doch das Gesetz folgt dem Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils (Art. 283 ZPO). Das bedeutet: Alles soll in einem einzigen Akt geregelt werden. Aber es gibt zwei juristische Ventile: die Sistierung und den Teilentscheid.

⏸️ Verfahrenspause: Die Sistierung nach Art. 126 ZPO

Eine Sistierung des Scheidungsverfahrens ist eine temporäre Unterbrechung, welche die Gerichte nur anordnen, wenn es absolut zweckmässig ist.

  • Zweckmässigkeitsprüfung: Der häufigste Grund ist die Vorfrage in einem anderen Verfahren. Beispielsweise wenn eine Partei einen Unfall hatte und ein IV-Rentenverfahren läuft. Das Ergebnis dieses Verfahrens beeinflusst direkt die Berechnung des nachehelichen Unterhalts.

  • Interessenabwägung: Das Gericht muss sorgfältig prüfen: Wie lange wird die Sistierung dauern? Steht der Nutzen (ein kohärentes Urteil) im Verhältnis zur Verfahrensverzögerung? Ist die Sistierung zu lang, verletzt dies das Recht auf ein faires und zügiges Verfahren.

Handlungsempfehlung: Berufen Sie sich nur auf eine Sistierung, wenn das andere Verfahren eine direkte und wesentliche Auswirkung auf eine unbestrittene Scheidungsfolge hat. Eine vage Vermutung reicht nicht aus.

🚪 Die Öffnung der Tür: Teilentscheid im Scheidungspunkt

Ein Teilentscheid bedeutet, dass das Gericht nur über die Scheidung urteilt, die Nebenfolgen aber später behandelt. Dies ist ein direkter Durchbruch des Einheitsgrundsatzes, der an strenge Bedingungen geknüpft ist.

Dafür braucht es ein besonderes, dringendes Interesse:

Das Bundesgericht hat die Messlatte hochgelegt. Ein Teilentscheid im Scheidungspunkt setzt voraus, dass:

  1. Scheidungsgrund ist klar: Die Auflösung der Ehe muss offensichtlich (liquide) sein, meistens durch die erfüllte zweijährige Trennungsfrist.

  2. Besondere Dringlichkeit: Es muss ein qualifiziertes Interesse vorliegen, welches das allgemeine Interesse an einem sofortigen Entscheid übersteigt. Beispiele sind das Recht auf Wiederheirat (Art. 12 EMRK), wenn das Verfahren wegen der komplexen güterrechtlichen Auseinandersetzung unzumutbar lange dauert und der Antragsteller dies nicht verursacht hat.

  3. Keine Nachteile: Der Teilentscheid darf die Regelung der Kindesbelange oder anderer Scheidungsfolgen nicht unnötig erschweren oder dem Kindeswohl widersprechen. Der Wunsch beider Parteien, die Ehe schnell zu beenden, genügt alleine nicht.

Wichtig zu wissen: Wer den Teilentscheid fordert, muss dem Gericht das Vorliegen dieser Ausnahme-Voraussetzungendetailliert nachweisen.

✅ Fazit: Der gemeinsame Weg ist der schnellste

Die juristischen Wege der Sistierung und des Teilentscheids in der Schweiz sind an strenge Voraussetzungengebunden. Sie führen oft zu weiteren Verzögerungen, weil diese Entscheide selbst wieder angefochten werden können. Der schnellste Weg zur vollständigen Scheidung ist immer die gemeinsame Vereinbarung und Einreichung eines Scheidungsbegehrens mit einer umfassenden Trennungsvereinbarung. Wir begleiten Sie dabei.