1. Wenn die Schutzkappe fällt: Das volljährige Kind im Fokus

Wenn sich Eltern trennen und ein Kind kurz vor oder während des Verfahrens 18 Jahre alt wird, verändert sich dessen Stellung im Zivilprozess grundlegend. Die elterliche Sorge und damit die gesetzliche Vertretung enden. Das Kind wird zum eigenständigen Rechtssubjekt, das die finanziellen Belange der Ausbildung selbst regeln muss. Die zentrale Frage lautet: Wie wirkt sich die Volljährigkeit auf den bereits eingeklagten Kindesunterhalt aus?

2. Die unveränderte Pflicht: Unterhalt bis zum Abschluss der Erstausbildung

Unabhängig von der Volljährigkeit bleibt die finanzielle Unterstützung der Eltern für die Erstausbildung bestehen. Das Schweizer Zivilgesetzbuch (ZGB) sieht vor, dass Eltern für den Unterhalt ihrer Kinder sorgen müssen, bis diese eine angemessene Ausbildung beendet haben.

Merke: Die Volljährigkeit befreit Eltern nicht von der Unterhaltspflicht, solange das Kind noch in Ausbildung ist und nicht selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann.

  • Grundsatz: Der Unterhalt soll die Kosten für Lebenshaltung, Ausbildung und angemessene Lebensführung decken.

  • Anforderung: Das volljährige Kind muss den Eltern Auskunft über den Verlauf und die Kosten seiner Ausbildung geben.

3. Die Wende im Verfahren: Der Übergang der Prozessführungsbefugnis

Der kritische Punkt liegt in der sogenannten Prozessstandschaft oder Prozessführungsbefugnis. Es geht darum, wer vor Gericht das Recht hat, den Unterhalt einzufordern.

Situation Wer klagt/vertritt? Wer erhält das Geld?
Vor 18. Geburtstag Der Obhutselternteil vertritt das Kind. Der Obhutselternteil erhält den Unterhalt.
Nach 18. Geburtstag Das volljährige Kind muss den Unterhalt selbsteinklagen. Das volljährige Kind erhält den Unterhalt direkt.

Wird das Kind während des laufenden Scheidungs- oder Eheschutzverfahrens 18, muss das Gericht das Kind formell als Partei in den Prozess aufnehmen. Das Kind kann die Prozesshandlungen nun selbst vornehmen. Es kann sich aber auch weiterhin vom bisherigen Anwalt vertreten lassen.

4. Der sanfte Übergang: Kommunikation und Vereinbarung sind entscheidend

Für alle Beteiligten ist es am besten, wenn dieser formelle Wechsel durch eine frühzeitige, aussergerichtliche Vereinbarung entschärft wird.

  • Für Eltern: Nutzen Sie die Zeit vor der Volljährigkeit, um in einer Scheidungs- oder Trennungsvereinbarung den Unterhalt bis zum Ausbildungsende festzulegen. Dies vermeidet einen zusätzlichen Prozess gegen das Kind.

  • Für das volljährige Kind: Machen Sie sich mit Ihren Rechten vertraut. Fordern Sie bei Unstimmigkeiten die Unterhaltszahlungen schriftlich von Ihren Eltern ein. Wenn das Gericht das Verfahren nach Ihrer Volljährigkeit weiterführt, können Sie sich dem Verfahren anschliessen oder dieses übernehmen.

5. Fazit: Selbstbestimmung mit Verantwortung

Die Volljährigkeit markiert einen rechtlichen Einschnitt, der im Unterhaltsprozess höchste Aufmerksamkeit erfordert. Während die Unterhaltspflicht der Eltern für die Erstausbildung bestehen bleibt, wechselt die Verantwortung für die Durchsetzung der Ansprüche auf das nun volljährige Kind. Eltern sollten proaktiv kommunizieren, um ihrem Kind den eigenständigen Gang vor Gericht zu ersparen.

Die juristische Praxis verlangt gemäss Art. 134 ZGB zwei kumulative, also gleichzeitig zu erfüllende, Voraussetzungen für eine erfolgreiche Neuregelung der Obhut oder der elterlichen Sorge.

1. Einbruch durch neue Tatsachen

Eine Änderung setzt voraus, dass sich seit dem ursprünglichen Entscheid wesentliche neue Tatsachen ergeben haben. Dabei ist zu betonen: Die Tatsachen müssen neu sein. Wenn Sie bereits im Scheidungsverfahren die mangelnden Kompetenzen der Gegenpartei kritisierten und das Gericht damals keine Gefährdung sah, reicht diese Behauptung heute nicht mehr aus.

  • Der Clou liegt im Beweis: Manchmal manifestieren sich bereits bestehende Probleme erst später so eindeutig, dass sie gerichtlich festgestellt werden können. Ein Beispiel hierfür ist, wenn ein gerichtliches Gutachten die bereits seit Längerem vermuteten psychischen Schwierigkeiten eines Elternteils oder dessen mangelnde Erziehungsfähigkeit erstmals objektiv bestätigt. Damit ist eine bisherige Parteibehauptung zu einem neuen, harten Beweismittel geworden, das die Neuregelung rechtfertigen kann.

2. Die Gefährdung des Kindeswohls

Das Gericht wird nur tätig, wenn die Beibehaltung der bisherigen Regelung das Kindeswohl ernsthaft gefährdet.

  • Es genügt nicht, dass die neue Lösung etwas besser wäre. Das bisherige Umfeld muss dem Kind stärker schadenals der Verlust an Kontinuität, den eine Änderung mit sich bringt. Das ist eine sehr hohe Messlatte! Der Richter muss feststellen, dass der aktuelle Lebensweg das Kindeswohl schwer beeinträchtigt und der Wechsel zur neuen Regelung zwingend notwendig ist.

Die Rolle von Gutachten und professioneller Einschätzung

Gerade in komplexen Fällen, wie sie auch das Bundesgericht immer wieder beschäftigen (unter Berücksichtigung von Art. 157 und 296 ZPO), kommt psychologischen oder kinderpsychiatrischen Gutachten eine zentrale Bedeutung zu.

Wenn ein Gericht in der Vorinstanz die Notwendigkeit einer Änderung verneint, obwohl das Gutachten eine klare Empfehlung zur Übertragung der Obhut auf den anderen Elternteil ausspricht, müssen die Gründe dafür ausreichend begründet sein. Das Abweichen von den klaren Empfehlungen eines unabhängigen Experten muss das Gericht detailliert erklären, da ansonsten der Vorwurf der willkürlichen Beweiswürdigung im Raum steht. Die fundierten Schlussfolgerungen eines Experten, insbesondere wenn sie psychische Beeinträchtigungen eines Elternteils bestätigen, können die notwendige wesentliche neue Tatsache liefern.

Ihr Weg zur Neuregelung

  • Prüfen Sie die Fakten: Haben sich wirklich neue und wesentliche Umstände ergeben, die das Kindeswohl gefährden?

  • Beweise sichern: Ein Gutachten ist ein starkes Beweismittel, aber auch Berichte von Schulen, Ärzten oder der Kindesschutzbehörde (KESB) sind relevant.

  • Anwaltsbeistand: Suchen Sie unbedingt rechtlichen Rat. Ein Anwalt oder eine Anwältin weiss, wie man die Voraussetzungen gemäss Art. 134 ZGB korrekt darlegt und das Gericht von der ernsthaften Gefährdungüberzeugt.

Fazit

Wollen Sie die elterliche Sorge oder die Obhut neu regeln, fordern Schweizer Gerichte einen klaren Nachweis für eine ernsthafte Gefährdung des Kindeswohls durch wesentliche neue Tatsachen. Nur wenn der Wechsel zur neuen Regelung zwingend im Interesse des Kindes liegt und die Stabilität überwiegt, ist eine Korrektur des bestehenden Urteils möglich.

Viele Paare in der Schweiz wünschen sich in einer emotional belastenden Situation nichts sehnlicher, als die Ehe schnell hinter sich zu lassen. Besonders wenn der Scheidungsgrund unbestritten ist (z. B. nach zwei Jahren gerichtlicher Trennung), erscheint die lange Wartezeit auf die Regelung aller Nebenfolgen wie Kindesbelange oder Ehegattenunterhalt unnötig. Doch das Gesetz folgt dem Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils (Art. 283 ZPO). Das bedeutet: Alles soll in einem einzigen Akt geregelt werden. Aber es gibt zwei juristische Ventile: die Sistierung und den Teilentscheid.

⏸️ Verfahrenspause: Die Sistierung nach Art. 126 ZPO

Eine Sistierung des Scheidungsverfahrens ist eine temporäre Unterbrechung, welche die Gerichte nur anordnen, wenn es absolut zweckmässig ist.

  • Zweckmässigkeitsprüfung: Der häufigste Grund ist die Vorfrage in einem anderen Verfahren. Beispielsweise wenn eine Partei einen Unfall hatte und ein IV-Rentenverfahren läuft. Das Ergebnis dieses Verfahrens beeinflusst direkt die Berechnung des nachehelichen Unterhalts.

  • Interessenabwägung: Das Gericht muss sorgfältig prüfen: Wie lange wird die Sistierung dauern? Steht der Nutzen (ein kohärentes Urteil) im Verhältnis zur Verfahrensverzögerung? Ist die Sistierung zu lang, verletzt dies das Recht auf ein faires und zügiges Verfahren.

Handlungsempfehlung: Berufen Sie sich nur auf eine Sistierung, wenn das andere Verfahren eine direkte und wesentliche Auswirkung auf eine unbestrittene Scheidungsfolge hat. Eine vage Vermutung reicht nicht aus.

🚪 Die Öffnung der Tür: Teilentscheid im Scheidungspunkt

Ein Teilentscheid bedeutet, dass das Gericht nur über die Scheidung urteilt, die Nebenfolgen aber später behandelt. Dies ist ein direkter Durchbruch des Einheitsgrundsatzes, der an strenge Bedingungen geknüpft ist.

Dafür braucht es ein besonderes, dringendes Interesse:

Das Bundesgericht hat die Messlatte hochgelegt. Ein Teilentscheid im Scheidungspunkt setzt voraus, dass:

  1. Scheidungsgrund ist klar: Die Auflösung der Ehe muss offensichtlich (liquide) sein, meistens durch die erfüllte zweijährige Trennungsfrist.

  2. Besondere Dringlichkeit: Es muss ein qualifiziertes Interesse vorliegen, welches das allgemeine Interesse an einem sofortigen Entscheid übersteigt. Beispiele sind das Recht auf Wiederheirat (Art. 12 EMRK), wenn das Verfahren wegen der komplexen güterrechtlichen Auseinandersetzung unzumutbar lange dauert und der Antragsteller dies nicht verursacht hat.

  3. Keine Nachteile: Der Teilentscheid darf die Regelung der Kindesbelange oder anderer Scheidungsfolgen nicht unnötig erschweren oder dem Kindeswohl widersprechen. Der Wunsch beider Parteien, die Ehe schnell zu beenden, genügt alleine nicht.

Wichtig zu wissen: Wer den Teilentscheid fordert, muss dem Gericht das Vorliegen dieser Ausnahme-Voraussetzungendetailliert nachweisen.

✅ Fazit: Der gemeinsame Weg ist der schnellste

Die juristischen Wege der Sistierung und des Teilentscheids in der Schweiz sind an strenge Voraussetzungengebunden. Sie führen oft zu weiteren Verzögerungen, weil diese Entscheide selbst wieder angefochten werden können. Der schnellste Weg zur vollständigen Scheidung ist immer die gemeinsame Vereinbarung und Einreichung eines Scheidungsbegehrens mit einer umfassenden Trennungsvereinbarung. Wir begleiten Sie dabei.

Die Scheidung bedeutet meist einen grossen Schritt in die finanzielle Unabhängigkeit. Ein zentrales Thema ist der Vorsorgeausgleich, also die Teilung der Pensionskasse-Guthaben. Während die Regel klar die hälftige Teilung vorsieht, sehen sich Paare mit einem grossen Altersunterschied oft mit einer schwierigen Situation konfrontiert. Der ältere Partner hat oft schon viel angespart und fürchtet nun grosse Einbussen in seiner Altersvorsorge. Amiable.ch zeigt Ihnen Wege zu einer einvernehmlichen und fairen Lösung.

📉 Die Herausforderung des Vorsorgeausgleichs

Der Gesetzgeber sieht in Art. 124b ZGB vor, dass das Gericht in seltenen Fällen vom Grundsatz der hälftigen Teilung abweichen kann. Der erhebliche Altersunterschied ist ein solcher Ausnahmegrund. Warum diese Ausnahme? Ältere Personen nähern sich dem Rentenalter. Entsprechend fallen ihre Beitragszahlungen in der zweiten Säule höher aus, wodurch sie kurz vor der Pensionierung grosse Summen ansparen. Eine starre hälftige Teilung kann dann für den Älteren existenzbedrohend sein.

🔍 Wann ist eine Abweichung gerechtfertigt? Die Praxis

Die Gerichte legen Art. 124b ZGB sehr streng aus, um den Grundsatz der hälftigen Teilung nicht zu untergraben. Selbst ein Altersunterschied von 14 Jahren oder mehr führt nicht automatisch zur Ausnahme. Es muss eine unbillige Härtevorliegen. Das heisst, Sie müssen darlegen, dass die Regelteilung zu einer massiven Schmälerung der Altersrente des älteren Partners führt. Gleichzeitig prüfen die Richter:

  • Wie lange dauerte die Ehe?

  • Welche Einkommens- und Vermögensverhältnisse haben beide Partner?

  • Wie sieht die gesamte Vorsorgesituation beider Partner aus?

💡 Wege zur einvernehmlichen Lösung: Trennungsvereinbarung

Auch wenn das Gesetz restriktiv ist, haben Sie in einer Trennungsvereinbarung mehr Spielraum. Wenn Sie sich aussergerichtlich einigen, können Sie von der starren Gesetzesnorm abweichen, solange die Einigung fair und angemessen ist. Das ist besonders bei Paaren mit Altersunterschied eine grosse Chance. Sie könnten beispielsweise:

  • Einen anderen Teilungsschlüssel (z.B. 60/40) vereinbaren.

  • Die Abweichung durch andere Vermögenswerte (z.B. Ersparnisse oder eine Immobilie) kompensieren.

  • Die Abweichung durch höhere Unterhaltszahlungen ausgleichen.

✅ Fazit: Aktiv Gestalten statt Passiv Erleiden

Der Vorsorgeausgleich muss nicht zwingend vor Gericht enden. Bei einem grossen Altersunterschied lohnt es sich, eine faire Trennungsvereinbarung zu verhandeln. So behalten Sie die Kontrolle über Ihre finanzielle Zukunft. Amiable.chunterstützt Sie dabei, diese emotional und finanziell schwierige Phase partnerschaftlich zu meistern und eine massgeschneiderte Lösung zu finden.

Viele Eltern stehen nach einer Trennung vor der Frage, ob sie mit ihrem Kind umziehen dürfen. Das ist eine tiefgreifende Entscheidung mit grossen Auswirkungen. Das Schweizer Zivilgesetzbuch (ZGB), insbesondere Art. 301a, bildet den Rahmen für diesen Prozess. Wir erklären Ihnen die wichtigsten Leitlinien, damit Sie gut informierte Entscheidungen treffen.

 

Ihr Recht auf Umzug vs. das Wohl des Kindes

Als Eltern haben Sie die sogenannte Niederlassungsfreiheit. Niemand soll Sie daran hindern, Ihren eigenen Wohnort zu wechseln. Art. 301a ZGB verhindert also nicht Ihren Umzug. Er stellt aber sicher, dass die Entscheidung über den neuen Aufenthaltsort des Kindes sorgfältig getroffen wird.

Die Genehmigungspflicht greift, wenn:

  1. Der neue Wohnort sich im Ausland befindet.
  2. Der Umzug in der Schweiz die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge oder das Besuchsrecht des anderen Elternteils erheblich beeinflusst.

Ohne die Zustimmung des anderen Elternteils benötigen Sie eine Genehmigung durch das Gericht oder die Kindesschutzbehörde (KESB). Deshalb müssen die Details des Umzugs stets auf einer konkreten Basis geklärt werden, bevor Sie oder die Behörde zustimmen.

 

Fokus auf das bisherige Betreuungsmodell

Die Gerichte prüfen genau, wie die Betreuung des Kindes bisher organisiert war. Dieses Betreuungsmodell ist der Ausgangspunkt jeder Abwägung.

  • Vorherrschende Betreuung: Hat der wegziehende Elternteil das Kind bisher mehrheitlich betreut (Parent de référence), spricht viel dafür, dass das Kind mitzieht. Hier zählt die Kontinuität der Bezugsperson. Der umziehende Elternteil muss jedoch beweisen, dass er die Betreuung in der neuen Umgebung gleichwertig sicherstellen kann.
  • Ausgewogene Betreuung: Wenn Sie und der andere Elternteil das Kind bisher annähernd gleich betreut haben, ist die Ausgangslage neutral. Das Gericht muss dann umfassend alle Aspekte des Kindeswohls abwägen, um den besten Ort zu bestimmen.

Die Motive für den Umzug spielen nur eine Nebenrolle. Doch Vorsicht: Versuchen Sie, durch den Umzug die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil zu kappen (fehlende Bindungstoleranz), zweifeln die Behörden an Ihrer Eignung als betreuender Elternteil.

 

Besonderheit: Umzug ins Ausland und Eilmassnahmen

Ein Umzug ins Ausland ist besonders heikel. Schweizer Gerichte verlieren hier unter Umständen die Zuständigkeit. Das Bundesgericht verlangt deshalb besondere Zurückhaltung bei der Erteilung einer provisorischen Umzugsbewilligung ins Ausland. Nur bei charakterisierter Eilbedürftigkeit kommt eine solche Massnahme in Betracht. Im Normalfall ist eine umfassende Abklärung notwendig.

 

Fazit

Ein Umzug mit Kind bei gemeinsamer elterlicher Sorge ist eine tiefgreifende Entscheidung. Planen Sie den Umzug detailliert, kommunizieren Sie offen mit dem anderen Elternteil und stellen Sie das Kindeswohl immer an erste Stelle. Dann finden Sie eine Lösung, die für alle Beteiligten tragfähig ist.

Schock beim Unterhaltsentscheid: Wenn das Gericht ein zu hohes Einkommen annimmt

Manchmal fühlen sich Menschen, die sich in einer Trennung befinden, von Gerichtsentscheidungen überrollt. Besonders beunruhigend kann es sein, wenn Ihnen ein Gericht ein hypothetisches Einkommen anrechnet, das Sie als unrealistisch empfinden. Dieses angenommene Einkommen kann Ihren Unterhaltsanspruch senken oder Ihre Unterhaltspflicht erhöhen. Sie müssen diese Entscheidung jedoch nicht einfach hinnehmen, denn das Gericht berücksichtigt drei entscheidende Faktoren.

 

Die Grenzen der Zumutbarkeit: Was Gerichte wirklich prüfen

Der Kern der Angelegenheit ist die Zumutbarkeit Ihrer Arbeitsleistung. Sie müssen beweisen können, dass das vom Gericht angenommene Einkommen nicht realistisch ist. Die juristische Praxis achtet darauf, dass eine tatsächlich mögliche und zumutbare Tätigkeit gefunden wird.

  • Beweis der Bemühungen: Der wichtigste Schritt ist, dass Sie Ihre aktiven und ernsthaften Bemühungen um eine (höhere) Stelle dokumentieren. Zeigen Sie dem Gericht, welche Bewerbungen Sie geschrieben haben und warum diese erfolglos waren.
  • Realistische Möglichkeit: Das Gericht muss konkret festlegen, welche Art von Anstellung zu welchem Lohn Ihnen tatsächlich offensteht. Wenn Sie zum Beispiel seit 20 Jahren nicht mehr im ursprünglichen Beruf gearbeitet haben, ist eine sofortige 100%-Stelle in diesem Bereich oft nicht zumutbar.

 

Die Angemessene Frist: Zeit zur Anpassung ist Ihr Recht

Das Bundesgericht hält fest: Ein hypothetisches Einkommen darf Ihnen nicht sofort angerechnet werden. Sie benötigen eine angemessene Übergangsfrist (délai), um sich an die neue Situation anzupassen. Diese Frist dient dazu, Ihnen Zeit für die Stellensuche, eine Weiterbildung oder die Organisation der Kinderbetreuung zu geben.

  • Wann ist die Frist länger? Wenn die Trennung Sie unvorbereitet trifft, ist die Frist oft länger. War die Trennung jedoch bereits absehbar, kann das Gericht eine kürzere Frist ansetzen.
  • Bedeutung des Alters: Das Alter ist heute kein automatisches Hindernis mehr, das die Zumutbarkeit ausschliesst. Speziell wenn es nur darum geht, ein bestehendes Pensum zu erhöhen, sehen Gerichte kaum eine Altersgrenze.

 

Ihr Fahrplan: So reagieren Sie auf die Anrechnung

  1. Frist nutzen: Verwenden Sie die Ihnen gesetzte Frist konsequent für die Jobsuche und dokumentieren Sie jeden Schritt.
  2. Gegendarstellung einreichen: Falls das Gericht ein unrealistisches Einkommen festsetzt, legen Sie dar, warum die Annahme (z.B. der angenommene Lohn oder die Branche) nicht Ihren realen Möglichkeiten entspricht.

 

Fazit: Eigenverantwortung und aktive Beweisführung

Das hypothetische Einkommen ist eine Herausforderung, aber durch die aktive Darlegung Ihrer zumutbarenBemühungen und der Einhaltung der Frist können Sie den Unterhaltsentscheid realistischer gestalten. Lassen Sie sich nicht entmutigen, sondern werden Sie aktiv.

Die Regelung des Vorsorgeausgleichs (Teilung der 2. Säule) ist oft der komplexeste und finanziell wichtigste Teil einer Scheidung. Während der Gesetzgeber mit Art. 122 ZGB eine faire, hälftige Teilung anstrebt, müssen Sie die Verfahrensvorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) unbedingt beachten, sonst drohen Ihnen finanzielle Nachteile.

Viele verlassen sich zu stark auf die Unterstützung des Gerichts. Das ist ein Fehler, denn die aktive Hilfe des Richters ist zeitlich begrenzt.

 

Die Gerichtshilfe ist nicht unendlich: Offizialmaxime in der 1. Instanz

Der Gesetzgeber weiss, dass Laien in Scheidungsverfahren überfordert sind. Daher gilt für den Vorsorgeausgleich vor dem erstinstanzlichen Gericht die sogenannte Offizialmaxime und die Untersuchungsmaxime. Das ist Ihre grosse Chance:

  • Gerichtliche Verantwortung: Das Gericht trägt die Hauptverantwortung für die korrekte und vollständige Ermittlung des Sachverhalts. Es holt aktiv alle notwendigen Auskünfte bei den Pensionskassen (PK) der Ehegatten ein.
  • Ihre Mitwirkungspflicht: Trotzdem dürfen Sie sich nicht zurücklehnen. Sie haben eine Mitwirkungspflicht. Wenn Ihnen Belege oder Informationen zum Vorsorgeguthaben des anderen Ehegatten vorliegen (z.B. frühere PK-Auszüge, Angaben zu Wohneigentumsvorbezügen), müssen Sie diese dem Gericht unaufgefordert vorlegen. Unvollständigkeit oder Verschweigen von Fakten kann als Verletzung der Sorgfaltspflicht gewertet werden.

Beispiel: Sie wissen, dass Ihr Partner noch ein Freizügigkeitskonto hat, welches das Gericht vergessen hat abzufragen. Wenn Sie dies nicht mitteilen, verletzen Sie Ihre Pflicht zur aktiven Mitarbeit.

 

Novenverbot (Art. 317 ZPO): Die Tür schliesst sich in der Berufung

Der entscheidende Punkt ist der Wechsel in die zweite Instanz (Berufung). Ab diesem Zeitpunkt endet die weitgehende Unterstützung durch die Untersuchungs- und Offizialmaxime. Es tritt Art. 317 ZPO in Kraft, das Novenverbot.

  • Keine neuen Fakten mehr: Das Gericht prüft im Berufungsverfahren nur noch, ob das erste Urteil rechtlich korrekt war. Neue Tatsachen oder Beweismittel zum Vorsorgeausgleich werden nur zugelassen, wenn sie trotz aller zumutbaren Sorgfalt nicht schon in der ersten Instanz vorgebracht werden konnten.
  • Strikte Anwendung: Der Bundesgerichtshof wendet das Novenverbot in der Regel sehr strikt an. Wer es versäumt hat, wichtige PK-Auszüge oder Beweise rechtzeitig in der ersten Instanz einzureichen, hat in der Berufung meist keine Chance mehr.

Deshalb gilt: Arbeiten Sie von Anfang an mit höchster Sorgfalt und Transparenz. Nur so stellen Sie sicher, dass Ihr Anspruch auf Vorsorgeausgleich umfassend und fair berechnet wird.

 

Fazit

Sichern Sie Ihren Vorsorgeausgleich, indem Sie die Verfahrensgrundsätze kennen und beachten. Die Hilfe des Gerichts in der ersten Instanz ersetzt nicht Ihre aktive und vollständige Mitarbeit. Wegen des Novenverbots müssen Sie alle Fakten sofort offenlegen – handeln Sie darum schnell und präzise.

Der Tag des Scheidungsurteils soll der Start in ein neues Leben sein. Doch viele Paare fürchten, dass nach der offiziellen Trennung noch immer finanzielle Forderungen auftauchen könnten. Die gute Nachricht: Das Schweizer Scheidungsrecht verpflichtet dazu, alle finanziellen Beziehungen zwischen den Parteien abschliessend zu klären. Das Schlüsselwort hier ist die Einheitliche Regelung aller vermögensrechtlichen Ansprüche – ein Ausdruck des Prinzips der Einheit des Scheidungsurteils. Dieses schliesst die Tür zu späteren Streitigkeiten endgültig ab.

1. Nicht nur das Güterrecht: Die Erweiterung des Scheidungsurteils

Wenn Sie geschieden werden, wird der Güterstand (z.B. die Errungenschaftsbeteiligung) aufgelöst. Das ist klar. Doch die Einheit des Urteils geht viel weiter als der reine güterrechtliche Ausgleich. Das Scheidungsgericht muss alle finanziellen Forderungen zwischen Ihnen und Ihrem Ex-Partner regeln, die während der Ehe entstanden sind. Juristen sprechen von pekuniären Prätentionen.

  • Der Fokus liegt auf dem Gesamtbild: Das Gericht schaut nicht nur auf das, was im Ehevertrag steht, sondern auf alle Geldflüsse und Verbindlichkeiten.
  • Ausnahme: Nur sehr seltene Ansprüche, die absolut nichts mit der ehelichen Gemeinschaft zu tun haben, bleiben dem Scheidungsverfahren fern.

2. Gütertrennung? Alle Forderungen trotzdem regeln!

Viele Ehepaare wählen die Gütertrennung, um ihre Finanzen zu vereinfachen. Das schützt das eigene Vermögen, bedeutet aber nicht, dass Sie bei einer Scheidung nicht trotzdem Forderungen haben können. Ein Beispiel: Sie haben Ihrem Partner in einer Notlage ein grösseres Darlehen aus Ihrem Privatvermögen gewährt.

  • Die Konsequenz: Auch bei vertraglich vereinbarter Gütertrennung muss dieser Darlehensanspruch im Rahmen der Scheidung geklärt und im Urteil festgehalten werden.
  • Die Konvention als Lösung: Eine sorgfältig formulierte Scheidungsvereinbarung ist der beste Weg, alle diese Ansprüche zu bereinigen und zu dokumentieren.

3. Die Quittung für Saldo aller Konten: Das Scheidungsdokument

Wenn Sie sich auf eine Scheidungskonvention einigen, können Sie eine wichtige Klausel aufnehmen: die sogenannte Quittung für Saldo aller Ansprüche. Sie dient als umfassender Befreiungsschlag.

  • Ihre Sicherheit: Beide Ehepartner bestätigen darin, dass mit der Unterzeichnung der Konvention und dem späteren richterlichen Urteil alle gegenseitigen finanziellen Ansprüche – bekannt oder unbekannt – abgegolten und erledigt sind.
  • Vermeidung von Betreibung: Dies ist besonders relevant im Kontext des Betreibungsrechts, wo ein Richter bei späterer Betreibung prüfen muss, ob die Forderung bereits durch die Scheidung erledigt wurde. Ein klares Scheidungsurteil mit dieser Quittung schafft einen starken Befreiungsgrund.

Handlungsempfehlung: Das Scheidungsurteil ist der Punkt, an dem die finanzielle Vergangenheit ein Ende findet. Nehmen Sie sich Zeit für eine vollständige Bilanz aller Ansprüche, um später keine bösen Überraschungen zu erleben. Eine Mediation oder Rechtsberatung unterstützt Sie dabei.

Fazit:

Das Prinzip der Einheit des Scheidungsurteils ist eine grosse Hilfe. Es zwingt Sie, alle finanziellen Fäden zu durchtrennen. Nutzen Sie die Scheidungskonvention, um mit einer klaren Saldo-Klausel eine vollständige, finanzielle Quittung zu erhalten.

Eine Trennung in der Schweiz bedeutet nicht nur emotionalen Stress. Sie müssen auch Ihre Finanzen neu ordnen. Stehen Eheschutzmassnahmen an, geht es schnell um die Frage: Reicht das Einkommen noch für zwei Haushalte und den Kindesunterhalt? Oft geraten Paare in Panik, dass sie ihre gesamten Ersparnisse für den Unterhalt verwenden müssen. Die gute Nachricht: Das Schweizer Familienrecht schützt Ihr Vermögen grundsätzlich. Erfahren Sie, welche strengen Regeln Gerichte beachten, bevor sie den Vermögensverzehr anordnen.

 

Der Grundsatz der Subsidiarität des Vermögensverzehrs

Unterhalt (sowohl der Kindesunterhalt als auch der Ehegattenunterhalt) wird primär durch das Einkommen bezahlt. Das ist das Prinzip der Subsidiarität. Das heisst, der Richter darf nur dann den Vermögensstamm angreifen lassen, wenn das laufende Einkommen den notwendigen Unterhalt nicht deckt.

Gerade im Eheschutzverfahren sind Richter sehr zurückhaltend. Sie dürfen nicht einfach eine willkürliche Anweisung geben. Das jüngste Bundesgerichtsurteil (BGE 5A_726/2023) bestätigt: Eine Anordnung zum Vermögensverzehr, die sich nur auf das Einkommen aus einer Gesellschaft stützt und die Gesamtsituation ausser Acht lässt, ist willkürlich und damit unzulässig.

 

Schutz Ihres Vermögens: Was ist nicht antastbar?

Nicht jedes Vermögen ist gleich. Das Gericht berücksichtigt die Funktion und Zusammensetzung Ihres Vermögens. Beispielsweise wird es Ihnen nur schwer zumuten:

  • Vermögen aus Erbschaften: Das nach der Trennung angefallene Erbe bleibt in der Regel unangetastet.
  • Schwer liquidierbare Werte: Dazu gehört oft die Familienwohnung oder andere Immobilien, die Sie nicht kurzfristig verkaufen können.
  • Vorsorgevermögen: Spargelder, die klar der Altersvorsorge dienen, geniessen hohen Schutz.

Wenn Sie und Ihr Ehepartner aber während der Ehe bereits vom Kapital gelebt haben (Anzehrung der Substanz), kann der Richter verlangen, dass Sie diese Praxis fortsetzen.

 

Fairness für alle Kinder: Die Betreuungsleistung zählt

Ein oft übersehener, aber wichtiger Punkt ist der Betreuungsunterhalt. Seit der Revision des Kindesunterhaltsrechts ist dieser Beitrag ein eigenständiger Anspruch des Kindes. Er entschädigt den betreuenden Elternteil dafür, dass er wegen der Kinderbetreuung weniger oder gar nicht arbeiten kann.

Wenn ein Unterhaltspflichtiger nun eine neue Familie gründet, hat das Kind aus dieser neuen Beziehung ebenfalls einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Diesen Anspruch müssen die Richter im Rahmen der Unterhaltsberechnungvollumfänglich berücksichtigen. Geschieht dies nicht, führt das zu einer falschen und ungerechten Verteilung der verfügbaren Mittel. Eine solche willkürliche Missachtung der korrekten Berechnungsmethode kann vom Bundesgericht korrigiert werden.

 

Ihre Handlungsempfehlung: Rechnen Sie fair und transparent

Nutzen Sie die Gelegenheit der Eheschutzmassnahmen, um alle Fakten offen auf den Tisch zu legen. Seien Sie transparent bezüglich Ihrer Einnahmen, Ausgaben und Vermögenswerte. Nur so kann das Gericht eine angemessene und gerechte Unterhaltsregelung treffen. Scheuen Sie sich nicht, juristischen Beistand zu suchen, denn die Regeln zum Vermögensverzehr und Betreuungsunterhalt sind komplex.

Bei einer internationalen Trennung ist es entscheidend, die Zuständigkeit für Eheschutzmassnahmen in der Schweizzu verstehen. In der Schweiz kann das Gericht am Wohnsitz eines Ehepartners rasch Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft (Eheschutzmassnahmen) anordnen. Diese regeln dringende Fragen wie Wohnsituation, Kinderbetreuung und Unterhalt. Ziel ist es, die familiäre Stabilität vor einer Scheidung zu sichern – insbesondere dann, wenn bereits ein Verfahren im Ausland läuft.

Wann die Schweizer Zuständigkeit endet

Sobald ein Scheidungsverfahren im Ausland eröffnet wurde, ist ein Schweizer Gericht grundsätzlich nicht mehr zuständig, neue Eheschutzmassnahmen anzuordnen.
Der ausländische Scheidungsrichter behandelt in der Regel auch alle damit verbundenen Fragen – also Unterhalt, Sorgerecht und Wohnrecht.
Diese Regel verhindert widersprüchliche Entscheidungen zwischen verschiedenen Staaten. Sobald das ausländische Verfahren gültig ist, tritt die Schweiz zugunsten des zuständigen ausländischen Gerichts zurück.

Die Ausnahme zum Schutz der Familie

Das Schweizer Recht sieht jedoch eine wichtige Ausnahme vor, um Schutzlücken zu vermeiden.
Das Schweizer Gericht kann weiterhin eingreifen, wenn klar ist, dass das ausländische Urteil in der Schweiz nicht anerkannt werden kann – etwa weil es gegen grundlegende Prinzipien des Schweizer Rechts verstösst.
In diesem Fall darf der Schweizer Richter vorläufige Eheschutzmassnahmen erlassen oder aufrechterhalten, um die Rechte der Ehegatten und Kinder zu sichern.

Sobald ein ausländisches Gericht jedoch anerkannte provisorische Massnahmen trifft – zum Beispiel nach dem Haager Übereinkommen –, verlieren die Schweizer Entscheidungen automatisch ihre Gültigkeit.
Dieses System sorgt für Rechtssicherheit und verhindert doppelte oder widersprüchliche Urteile.

Internationale Anerkennung von Unterhaltsentscheidungen

Das Haager Unterhaltsübereinkommen erleichtert die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen zwischen Vertragsstaaten wie Deutschland oder Frankreich erheblich.
Ein im Ausland festgesetzter Unterhaltsbeitrag wird in der Schweiz automatisch anerkannt und kann ohne neues Verfahren vollstreckt werden.
Diese internationale Zusammenarbeit gewährleistet Stabilität und Kontinuität für grenzüberschreitende Familien.

Fazit: Zuständigkeit kennen, bevor man handelt

Bei einer internationalen Trennung entscheidet die Zuständigkeit für Eheschutzmassnahmen in der Schweiz, wann ein Schweizer Gericht noch tätig werden darf.
Wer weiss, wann die Schweiz ihre Zuständigkeit behält oder verliert, vermeidet Verfahrensfehler und schützt die eigenen Rechte.
Vor jedem Schritt sollten Sie rechtlichen Rat einholen – am besten von einer Anwältin oder einem Anwalt mit Erfahrung im internationalen Familienrecht –, um Ihre Situation richtig einzuschätzen und die besten Massnahmen zu treffen.