Obhut und elterliche Sorge ändern: Wenn ein Scheidungsurteil korrigiert werden muss
Die juristische Praxis verlangt gemäss Art. 134 ZGB zwei kumulative, also gleichzeitig zu erfüllende, Voraussetzungen für eine erfolgreiche Neuregelung der Obhut oder der elterlichen Sorge.
1. Einbruch durch neue Tatsachen
Eine Änderung setzt voraus, dass sich seit dem ursprünglichen Entscheid wesentliche neue Tatsachen ergeben haben. Dabei ist zu betonen: Die Tatsachen müssen neu sein. Wenn Sie bereits im Scheidungsverfahren die mangelnden Kompetenzen der Gegenpartei kritisierten und das Gericht damals keine Gefährdung sah, reicht diese Behauptung heute nicht mehr aus.
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Der Clou liegt im Beweis: Manchmal manifestieren sich bereits bestehende Probleme erst später so eindeutig, dass sie gerichtlich festgestellt werden können. Ein Beispiel hierfür ist, wenn ein gerichtliches Gutachten die bereits seit Längerem vermuteten psychischen Schwierigkeiten eines Elternteils oder dessen mangelnde Erziehungsfähigkeit erstmals objektiv bestätigt. Damit ist eine bisherige Parteibehauptung zu einem neuen, harten Beweismittel geworden, das die Neuregelung rechtfertigen kann.
2. Die Gefährdung des Kindeswohls
Das Gericht wird nur tätig, wenn die Beibehaltung der bisherigen Regelung das Kindeswohl ernsthaft gefährdet.
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Es genügt nicht, dass die neue Lösung etwas besser wäre. Das bisherige Umfeld muss dem Kind stärker schadenals der Verlust an Kontinuität, den eine Änderung mit sich bringt. Das ist eine sehr hohe Messlatte! Der Richter muss feststellen, dass der aktuelle Lebensweg das Kindeswohl schwer beeinträchtigt und der Wechsel zur neuen Regelung zwingend notwendig ist.
Die Rolle von Gutachten und professioneller Einschätzung
Gerade in komplexen Fällen, wie sie auch das Bundesgericht immer wieder beschäftigen (unter Berücksichtigung von Art. 157 und 296 ZPO), kommt psychologischen oder kinderpsychiatrischen Gutachten eine zentrale Bedeutung zu.
Wenn ein Gericht in der Vorinstanz die Notwendigkeit einer Änderung verneint, obwohl das Gutachten eine klare Empfehlung zur Übertragung der Obhut auf den anderen Elternteil ausspricht, müssen die Gründe dafür ausreichend begründet sein. Das Abweichen von den klaren Empfehlungen eines unabhängigen Experten muss das Gericht detailliert erklären, da ansonsten der Vorwurf der willkürlichen Beweiswürdigung im Raum steht. Die fundierten Schlussfolgerungen eines Experten, insbesondere wenn sie psychische Beeinträchtigungen eines Elternteils bestätigen, können die notwendige wesentliche neue Tatsache liefern.
Ihr Weg zur Neuregelung
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Prüfen Sie die Fakten: Haben sich wirklich neue und wesentliche Umstände ergeben, die das Kindeswohl gefährden?
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Beweise sichern: Ein Gutachten ist ein starkes Beweismittel, aber auch Berichte von Schulen, Ärzten oder der Kindesschutzbehörde (KESB) sind relevant.
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Anwaltsbeistand: Suchen Sie unbedingt rechtlichen Rat. Ein Anwalt oder eine Anwältin weiss, wie man die Voraussetzungen gemäss Art. 134 ZGB korrekt darlegt und das Gericht von der ernsthaften Gefährdungüberzeugt.
Fazit
Wollen Sie die elterliche Sorge oder die Obhut neu regeln, fordern Schweizer Gerichte einen klaren Nachweis für eine ernsthafte Gefährdung des Kindeswohls durch wesentliche neue Tatsachen. Nur wenn der Wechsel zur neuen Regelung zwingend im Interesse des Kindes liegt und die Stabilität überwiegt, ist eine Korrektur des bestehenden Urteils möglich.






