Selbstständig und in Scheidung? So wird Ihr Einkommen fair berechnet
Eine Scheidung stellt das Leben auf den Kopf. Neben den emotionalen Turbulenzen kommen finanzielle Fragen hinzu, insbesondere wenn einer oder beide Ehepartner selbstständig erwerbstätig sind. Die Ermittlung des Einkommens für Unterhaltsberechnungen (Kindes- und Ehegattenunterhalt) ist bei Selbstständigen oft komplexer als bei Angestellten. Wie stellt man sicher, dass das Einkommen fair und nachvollziehbar ermittelt wird? Dieser Artikel beleuchtet die Herausforderungen und zeigt, wie Gerichte in der Schweiz vorgehen, um eine gerechte Lösung zu finden.
Die besondere Herausforderung: Schwankende Einkünfte und betriebliche Eigenheiten
Angestellte haben in der Regel ein fixes Gehalt. Bei Selbstständigen hängt das Einkommen von vielen Faktoren ab: Auftragslage, Investitionen, Abschreibungen, private Entnahmen und die individuelle Unternehmensführung. Diese Dynamik macht es schwierig, ein stabiles und verlässliches Einkommen für die Unterhaltsberechnung zu bestimmen. Gerichte müssen genau hinschauen, um nicht nur das buchhalterische, sondern das tatsächlich verfügbare Einkommen zu erfassen.
Wie das Gericht Ihr Einkommen unter die Lupe nimmt
Um ein realistisches Einkommen zu ermitteln, ziehen Schweizer Gerichte verschiedene Unterlagen und Kriterien heran:
- Jahresabschlüsse und Buchhaltung: Bilanz, Erfolgsrechnung und die detaillierte Buchführung des Unternehmens sind zentrale Dokumente. Hier wird geprüft, ob geschäftliche Ausgaben tatsächlich betriebsnotwendig sind oder ob private Lebenshaltungskosten über das Geschäft abgerechnet wurden.
- Steuerunterlagen: Die Steuererklärungen der letzten drei bis fünf Jahre geben Aufschluss über die Einkommensentwicklung und versteuerte Gewinne. Sie sind ein wichtiger Indikator, aber nicht immer der einzige Massstab, da steuerliche Optimierungen das für den Unterhalt relevante Einkommen verzerren können.
- Privatbezüge und Lebenshaltungskosten: Gerichte analysieren, welche Beträge der Selbstständige dem Unternehmen für private Zwecke entnommen hat und wie hoch die privaten Lebenshaltungskosten waren. Manchmal kann das Gericht auch Rückschlüsse auf ein höheres Einkommen ziehen, wenn der Lebensstandard dies nahelegt.
- Marktgerechtes Gehalt (Fiktives Einkommen): In einigen Fällen, besonders wenn der Selbstständige sich selbst ein sehr niedriges Gehalt auszahlt oder das Unternehmen Verluste schreibt, kann das Gericht ein fiktives Einkommen anrechnen. Dies orientiert sich daran, welches Gehalt ein Angestellter mit vergleichbarer Ausbildung und Tätigkeit am Arbeitsmarkt erzielen würde.
- Sachverständige: Bei komplexen Unternehmensstrukturen oder unklaren Finanzlagen kann das Gericht einen externen Sachverständigen beauftragen. Dieser prüft die Bücher und erstellt ein Gutachten zur Ermittlung des nachhaltigen Einkommens.
Worauf Selbstständige im Scheidungsverfahren achten sollten
- Lückenlose Dokumentation: Führen Sie eine saubere und transparente Buchhaltung. Halten Sie alle Belege und Kontoauszüge griffbereit.
- Klare Trennung von Privat und Geschäft: Vermeiden Sie es, private Ausgaben über das Geschäft abzurechnen. Dies schafft unnötige Diskussionen und Misstrauen.
- Realistische Selbsteinschätzung: Seien Sie ehrlich bei der Angabe Ihrer finanziellen Verhältnisse. Versuche, das Einkommen künstlich zu mindern, werden von Gerichten in der Regel durchschaut und können negative Folgen haben.
- Anwaltliche Begleitung: Eine frühzeitige Beratung durch einen spezialisierten Anwalt ist essenziell. Er kann Ihnen helfen, die nötigen Unterlagen aufzubereiten und Ihre Interessen optimal zu vertreten.
Fazit
Die faire Einkommensermittlung bei Selbstständigen ist ein Kernstück im Scheidungsrecht. Sie erfordert eine detaillierte Analyse und ein Verständnis für die Besonderheiten der Selbstständigkeit. Eine transparente Kommunikation und die professionelle Begleitung durch einen Anwalt sind entscheidend, um eine gerechte und nachhaltige Unterhaltsregelung zu finden, die den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht wird.






